Zwischen Pferden und Feindseligkeiten - Mobbing am Stall

Der Reitstall sollte eigentlich ein Ort der Gemeinschaft sein, an dem Pferdebesitzer und Reiter ihrem gemeinsamen Hobby nachgehen und sich austauschen können. Schade, denn die Gemeinschaft kann echt gemein sein.

Mobbing am Reitstall kann subtil und schwer zu erkennen sein, kann sich jedoch sowohl auf die Betroffenen als auch auf die Pferde negativ auswirken. In diesem Artikel schauen wir uns das Thema Mobbing also mal etwas genauer an: Was ist Mobbing, warum entsteht es und was kann gegen Mobbing getan werden? Um ein noch authentischeres Bild zu zeichnen, haben wir die Ergebnisse von mehreren Umfragen, die auf Instagram durchgeführt wurden, in diesen Artikel integriert. 

Was ist Mobbing? Die Faktenlage.

Mobbing ist ein wiederholtes, absichtliches Verhalten, das darauf abzielt, eine Person zu verletzen, zu demütigen oder zu isolieren. Es kann sich in den unterschiedlichsten Formen zeigen – vom sozialen Ausschluss oder gezielter Benachteiligung, über das Verbreiten von Gerüchten bis hin zur Schikane. Manche Formen des Mobbings sind schwerer zu erkennen, da sie subtil und verdeckt geschehen. Das kann z.B. das bewusste Vorenthalten von Informationen sein, die Weitergabe von falschen Informationen oder das bewusste "ins Messer laufen lassen".

In einer Instagram-Umfrage, die wir durchgeführt haben, gaben 63% unserer Follower an, schon einmal Mobbing im Reitstall erlebt oder beobachtet zu haben. Von diesen waren 36% selbst Opfer von Mobbing, während 27% das Mobbing "nur" beobachtet haben. Dies zeigt, dass das Problem in vielen Ställen präsent ist, auch wenn es nicht immer offen angesprochen wird.

Es gibt leider nur wenige Studien und Statistiken für genau diesen Bereich. Wahrscheinlich ist es ein zu spezielles Thema. Jedoch gibt es allgemeine Studien und Daten zu Mobbing in Sportvereinen, die auch auf den Kontext von Reitställen übertragbar sein könnten:

  1. Eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln aus 2014 ergab, dass 10-15 % der jungen Athleten schon einmal Opfer von Mobbing im Sportverein waren. 
  2. Eine Studie von 2017 von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) untersuchte Mobbing in Sportvereinen und stellte fest, dass etwa 12 % der Befragten bereits Mobbing erlebt haben. Auch hier ist es wahrscheinlich, dass diese Zahlen auf Reitställe anwendbar sind, da viele Parallelen zwischen sozialen Dynamiken in Vereinen und Reitställen existieren.
  3. Die BEFORE-Studie aus 2022, die europaweit durchgeführt wurde, kam sogar auf einen Wert von 20% an Mobbing-Betroffenen. 
  4. Laut Studien aus der Arbeitswelt ist Mobbing oft ein Ergebnis von sozialer Dynamik und Machtungleichgewichten. Reitställe, in denen bestimmte Gruppen dominieren oder es Rivalitäten gibt, bieten leider ein Umfeld, in dem solche Dynamiken auftreten können.
  5. In Foren und sozialen Netzwerken, speziell in der Reiter-Community, berichten viele von negativen Erfahrungen. Es gibt einige kleinere Umfragen oder Erfahrungsberichte in Reitforen, die zeigen, dass Mobbing ein häufiges Thema ist, besonders wenn es um junge Reiterinnen oder neue Pferdebesitzer geht. Die Dynamik ähnelt oft der in Schulen oder Sportvereinen, in denen Gruppenzugehörigkeit und Neid eine Rolle spielen.

Warum entsteht Mobbing?

Die Gründe für Mobbing im Reitstall sind vielschichtig und jeder kann Opfer werden. In unserer Umfrage gaben 68% an, dass sie Neid als Hauptursache für Mobbing im Reitstall sehen, während 18% der Meinung waren, dass soziale Gruppendynamiken eine entscheidende Rolle spielen. 12% sahen "Machtspiele" als Grund an. Auch wurden als Gründe genannt:

"Allgemeine Unzufriedenheit mit sich selbst, Unsicherheit."

"Frust an anderen herauslassen, um (von) sich selbst abzulenken."

"Wenn man in seiner Arbeit mit dem Pferd "gegen den Strom schwimmt", etwas anders macht als die Masse."

"Es wird viel so vorgelebt. Es ist nichts neues, dass unter Reitern kein Zusammenhalt herrscht."

 

Hier sind einige der häufigsten psychologischen Faktoren, die zu Mobbing führen:

1. Macht- und Dominanzstreben

Ein zentraler Grund für Mobbing ist der Wunsch nach Macht und Kontrolle über andere. Mobbing-Täter fühlen sich oft dann mächtig, wenn sie andere unterdrücken oder demütigen können. Sie genießen es, die soziale Hierarchie zu beeinflussen und dominieren zu können.

2. Unsicherheit und geringes Selbstwertgefühl

Oft leiden Mobber selbst unter einem geringen Selbstwertgefühl. Um sich selbst besser zu fühlen, versuchen sie, andere klein zu machen. Indem sie die Schwächen anderer herausstellen oder sie öffentlich bloßstellen, lenken sie von ihren eigenen Unsicherheiten ab.

3. Neid und Eifersucht

Neid ist ein häufiger Auslöser für Mobbing. Wenn jemand erfolgreich ist, bessere Fähigkeiten hat oder beliebter ist, kann das Neidgefühle bei anderen auslösen. Anstatt diese positiv zu kanalisieren, greifen Mobber die Person an, die sie beneiden.

4. Gruppenzwang und soziale Dynamiken

In Gruppen kann Mobbing entstehen, um die Gruppenkohäsion zu stärken. Menschen passen sich oft den Normen und Verhaltensweisen der Gruppe an, auch wenn diese negativ sind. Durch das Mobbing anderer zeigt die Gruppe Einheit und stärkt interne Bindungen, was oft auf Kosten eines Außenseiters geschieht.

5. Frustration und Aggression

Manche Menschen verwenden Mobbing als Ventil für aufgestaute Frustrationen und Aggressionen. Probleme im eigenen Leben, ob beruflich, privat oder emotional, werden an schwächeren Individuen ausgelassen, da diese als leichtes Ziel erscheinen.

6. Soziale Unsicherheiten und Angst vor Ablehnung

In manchen Fällen mobben Menschen aus Angst, selbst Opfer von Mobbing oder sozialer Ablehnung zu werden. Sie wenden sich gegen andere, um von sich selbst abzulenken und in der Gruppe nicht negativ aufzufallen.

7. Fehlende Empathie

Mobber haben oft eine verringerte Fähigkeit, sich in die Gefühle anderer hineinzuversetzen. Fehlende Empathie ermöglicht es ihnen, grausam oder schikanös zu handeln, ohne sich über die Auswirkungen ihrer Taten auf die Opfer Gedanken zu machen.

8. Fehlende Konfliktlösungsstrategien

Manche Menschen lernen nie, Konflikte konstruktiv zu lösen. Mobbing wird zu einer "Strategie", um Konflikte zu vermeiden oder eigene Bedürfnisse durchzusetzen, ohne sich mit den Gefühlen oder Rechten anderer auseinanderzusetzen.

9. Vergeltung oder vorherige schlechte Erfahrungen

Manchmal sind Mobber selbst frühere Opfer von Mobbing oder anderen Formen der sozialen Ausgrenzung. Sie üben Mobbing als eine Form der Vergeltung oder als Versuch aus, das Gefühl von Machtlosigkeit zu überwinden.

10. Konformität und der Wunsch, dazuzugehören

In bestimmten sozialen Umfeldern, wie z.B. einem Reitstall, wo klare Hierarchien und Gruppenstrukturen vorherrschen, kann der Wunsch, sich anzupassen, Mobbing verstärken. Menschen tun es manchmal, um in der Gruppe akzeptiert zu werden oder sich selbst vor zukünftigen Angriffen zu schützen.

Die Auswirkungen von Mobbing auf Mensch und Pferd

Die psychischen Folgen von Mobbing können gravierend sein. Betroffene berichten oft von Stress, Depressionen, Angstzuständen und dem Verlust der Freude am Hobby Pferd. Einige überlegen sogar, den Stall oder gleich das ganze Hobby aufzugeben. Eine Atmosphäre der Feindseligkeit kann jedoch nicht nur Menschen betreffen, sondern auch die Pferde. An dieser Stelle verweise ich auf meinen letzten Blogartikel, der sich genauer mit den Auswirkungen unserer Emotionen auf das Pferd befasst. 

Wie reagieren Ställe und Stallbetreiber auf Mobbing?

Ein entscheidender Punkt ist, wie der jeweilige Reitstall auf Mobbing reagiert. In unserer Umfrage gaben 56% an, dass das Thema in ihrem Stall weitgehend ignoriert wird. 11% berichteten jedoch, dass es in ihrem Stall klare Regeln gegen Mobbing gibt oder 24%, dass die Verantwortlichen aktiv nach Lösungen suchen, wenn ein Problem auftritt. Feste Ansprechpartner haben nur 9% der Befragten. Andere Reaktionen vom Stall/ Stallbetreiber auf Mobbing seien:

"Mobbing wird bei uns weggelächelt."

"Es wird versucht, Lösungen zu finden. Die Umsetzung ist allerdings dürftig."

"Wer mobbt oder lästert, der fliegt. Ist sogar im Einstallervertrag geregelt."

"Es wird abgemahnt und/ oder gekündigt."

"Mein Stallbetreiber lästert via extra erstellter WhatsApp-Gruppe mit."

"Gemeinsames Gespräch zwischen Opfer, Täter und Stallbetreiber."

 

Diese Unterschiede zeigen, dass das Management von Reitställen eine große Rolle dabei spielt, ob Mobbing toleriert wird oder nicht. 

Was kann gegen Mobbing getan werden?

Die Prävention von Mobbing beginnt damit, das Problem überhaupt erst einmal sichtbar zu machen. Offen über Mobbing zu sprechen und Bewusstsein zu schaffen, ist der erste Schritt. 37% der Follower gaben in unserer Umfrage an, dass sie sich anonyme Meldewege wünschen würden, um Vorfälle zu melden, ohne selbst in den Mittelpunkt zu geraten. 58% der Befragten wünschen sich klare Regeln am Stall. Nur 4% der Befragten fänden eine Mediation durch neutrale Personen wie Trainer oder Stallbesitzer angebracht. Grundsätzlich sei es schöner, nach Mobbingvorfällen nicht unbedingt in den Mittelpunkt zu geraten.

Strategien, um sich vor Mobbing zu schützen/ sich dagegen zu wehren

58% der Befragten haben keine Strategien zum Umgang mit Mobbing. Die restlichen 42% gaben unterschiedlichste Bewältigungsstrategien an. Unter anderem folgende:

"Einfach nicht drauf hören/ignorieren."

"Schlagfertig zurück kontern."

"Mit Freunden, Familie, Therapeut reden."

"Die Leute ansprechen, die ein Problem mit mir haben."

"Dran denken, dass Unwissenheit und Unzufriedenheit der Auslöser für den Quatsch ist."

"Solchen Leuten den Rücken kehren."

"Ich stehe zu 100% zu dem, was ich tue."

 

Auch ich habe euch im Folgenden noch 5 weitere, hilfreiche Strategien aufgeschrieben:

1. Selbstbewusstsein 

   - Selbstsicherheit entwickeln: Personen, die selbstbewusst auftreten, werden seltener zum Ziel von Mobbing. Das Üben von Selbstbehauptung und das Setzen klarer Grenzen können helfen, potenzielle Mobber abzuschrecken.

   - Emotionale Resilienz: Durch die Stärkung des emotionalen Wohlbefindens können Opfer von Mobbing lernen, Angriffe besser zu bewältigen und weniger von negativen Kommentaren oder Handlungen beeinflusst zu werden. Wie WIR denken, so fühlen wir. Nichts kann uns so sehr verletzen wie unsere eigenen Gedanken. Denken wir über einen verbalen Angriff "Oh, ich bin wirklich so schlecht und zu nichts fähig", so fühlen wir uns entsprechend. Denken wir aber "Wow, ich glaube dieser Mensch hat viele unschöne Erfahrungen in seinem Leben gemacht und kann mit diesen nicht (reif) umgehen", so tangiert uns der Angriff gefühlstechnisch viel weniger. 

2. Kommunikation

   - Direkt und ruhig reagieren: Wenn möglich, sollte man auf Mobbing klar und ruhig reagieren, ohne sich provozieren zu lassen. Eine sachliche Ansprache des Mobbers kann oft das Verhalten entwaffnen. Auch eine gewisse Schlagfertigkeit kann helfen.

   - Grenzen setzen: Es ist wichtig, klare Grenzen aufzuzeigen und Mobbingverhalten nicht zu tolerieren. Das kann durch verbale Konfrontation oder durch das Einholen von Unterstützung geschehen.

3. Unterstützung 

   - Vertrauenspersonen einschalten: Ob im Freundeskreis oder auch bei Trainern – das Teilen der eigenen Erfahrungen mit anderen kann nicht nur emotionale Unterstützung bieten, sondern auch praktische Hilfe ermöglichen.

   - Die Rolle der Trainer: Im Sport selbst (bspw. Reitunterricht oder Bodenarbeitsstunde) können Trainer eine wichtige Rolle spielen, um Mobbing zu stoppen, indem sie klare Regeln aufstellen und durchsetzen.

4. Dokumentation und Berichterstattung

   - Mobbingvorfälle dokumentieren: Das Festhalten von Mobbingereignissen (was, wann, wo und durch wen) ist wichtig, um später Vorfälle nachweisen zu können.

   - Offizielle Schritte unternehmen: Das Melden von Mobbing an die Leitung des Vereins kann notwendig sein, wenn andere Strategien nicht wirken. Opfer von Mobbing sollten sich bei schwerwiegenden Vorfällen rechtlich beraten lassen, um mögliche Schritte wie Strafanzeigen oder Schadenersatzklagen durchzusetzen.

Tatsächlich kann Mobbing auch unter bestimmte Rechtsvorschriften fallen:

  • Beleidigung (§ 185 StGB in Deutschland): Beleidigungen, die häufig im Zusammenhang mit Mobbing auftreten, sind strafrechtlich relevant und können zur Anzeige gebracht werden.
  • Üble Nachrede und Verleumdung (§§ 186, 187 StGB): Wenn eine Person falsche, rufschädigende Aussagen verbreitet, kann dies unter üble Nachrede oder Verleumdung fallen.
  • Nötigung (§ 240 StGB): Wenn Mobbing eine Person durch Drohungen oder Gewalt zu bestimmten Handlungen zwingt, kann dies als Nötigung angesehen werden.
  • Körperverletzung (§ 223 StGB): Physische Übergriffe im Rahmen von Mobbing stellen eine Straftat dar.

5. Verbündete finden

   - Netzwerk aufbauen: In einem Team oder einem sozialen Umfeld ist es wichtig, Unterstützer zu finden, die sich ebenfalls gegen Mobbing stellen. Die Stärkung der Gemeinschaft kann Mobbing eindämmen.

   - Solidarität zeigen: Indem man anderen hilft, die Opfer von Mobbing werden, kann man ein starkes Netzwerk aufbauen und zeigen, dass Mobbingverhalten nicht akzeptiert wird.

Fazit

Mobbing, gerade in der Reiterwelt, ist ein ernstes Problem, das nicht ignoriert werden sollte. Es betrifft nicht nur die soziale Struktur des Stalls, sondern hat auch Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Betroffenen und möglicherweise sogar auf das Wohl der Pferde. Unsere Umfrage zeigt, dass viele Reiter und Pferdebesitzer das Thema sehr ernst nehmen und sich klare Maßnahmen gegen Mobbing wünschen. Es liegt an uns allen, eine offene, respektvolle und unterstützende Gemeinschaft zu fördern, in der Mobbing keinen Platz hat.

 

 

Ein Artikel von Celina Ronneburg, Gründerin von Equine.Elevate


ÜBER DIE AUTORIN

Autor

Celina Ronneburg

Celina Ronneburg ist die Gründerin von Equine.Elevate und steht für pferdegerechtes und gesunderhaltendes Training auf Basis innovativer Trainingsmethoden. 

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